September 19, 2025
Wer eine Eigentumswohnung erwirbt, kauft nicht nur Quadratmeter – er beteiligt sich an einer Stockwerkeigentümergemeinschaft (STWEG) und damit an allen künftigen Investitionen in Dach, Fassade, Heizung, Lift oder Fenster. Oft entscheidet der Zustand des Erneuerungsfonds darüber, ob die nächsten Jahre finanziell entspannt verlaufen oder ob schon bald Sonderbeiträge fällig werden. In diesem Leitfaden zeigen wir, wie Käufer in Zürich, Zug, Schwyz und St. Gallen den Fonds richtig beurteilen, welche Unterlagen sie verlangen sollten und welche Warnsignale ernst zu nehmen sind.
Der Erneuerungsfonds ist die Rücklage der STWEG für grössere, planbare Erneuerungen am Gemeinschaftseigentum. Ziel ist, die Werterhaltung der Liegenschaft zu sichern, ohne die Eigentümer bei jeder Sanierung spontan zur Kasse zu bitten. Dazu zahlen alle Einheiten regelmässig Beiträge ein; die Höhe legt die Gemeinschaft fest.
Worauf es in der Praxis ankommt:
Der Kaufpreis erzählt nur die halbe Wahrheit. Entscheidend ist, welche Kosten nach dem Kauf auf Sie zukommen. Ein gut dotierter Fonds mit klarem Investitionsplan bedeutet planbare Beiträge und ruhiges Fahrwasser. Ein unterdotierter Fonds in einer sanierungsbedürftigen Liegenschaft ist ein rotes Tuch: Dann drohen kurzfristig Sonderbeiträge, die je nach Projekt fünfstellige Beträge erreichen können. In Ballungsräumen wie Zürich und Zug fallen Sanierungen zudem oft teurer aus – sowohl wegen Baupreisen als auch wegen Auflagen der Gemeinden –, in Schwyz und St. Gallen wirken die Kosten zwar häufig moderater, doch ältere Bestände können dort ebenso erhebliche Erneuerungspakete erfordern.
Beurteilen Sie Alter, Bauweise und Zustand der zentralen Bauteile: Dach, Fassade, Fenster, Haustechnik (Heizung, Warmwasser), Lift, Tiefgarage, Abdichtungen, Leitungen. Achten Sie auf Energieeffizienz und mögliche Pflicht- oder Förderthemen (z. B. Heizungssanierung, Dämmung, PV-Vorbereitung). Je älter und technisch komplexer die Anlage, desto höher der künftige Erneuerungsbedarf.
Fragen Sie nach einer Zustandsanalyse mit Massnahmen- und Kostenplanung über mindestens zehn, besser zwanzig Jahre. Wichtig sind Zeitfenster, Projektgrössenordnungen und Prioritäten. Seriöse Pläne weisen Etappen aus (z. B. Lift in 3 Jahren, Dach in 7–10 Jahren) und nennen Heutkosten mit Puffer für Teuerung.
Stellen Sie Fondsstand und geplante Projekte gegenüber. Prüfen Sie: Reicht die Rücklage, um die nächsten fünf bis sieben Jahre ohne Sonderbeiträge zu bewältigen? Wie hoch sind die jährlichen Einzahlungen pro Einheit? Gibt es Rückstellungen für konkrete Projekte? Ein zunehmendes Delta zwischen Bedarf und Rücklage ist das deutlichste Warnsignal.
Eine fundierte Prüfung basiert auf Dokumenten, nicht auf Bauchgefühl. Fordern Sie vor dem Kauf:
Lesen Sie diese Unterlagen zusammenhängend: Was wurde beschlossen, was zurückgestellt, was budgetiert? Stimmen Plan, Beschlüsse und Fondsstand zusammen?
Beispiel A: Solide Stadtliegenschaft (Zürich)
Ein 25-jähriges Mehrfamilienhaus, Fassade und Fenster in gutem Zustand, Lift modernisiert, Heizung in 5–7 Jahren fällig. Fondsstand ordentlich, Einzahlungen stabil, Investitionsplan liegt vor. Ergebnis: Planbare Beiträge, geringe Sonderbeitragsgefahr – der Preis der Wohnung spiegelt die gute Substanz wider.
Beispiel B: Unterdotierter Fonds bei naher Sanierung (Zug)
Tiefgarage und Abdichtung müssen in 2–3 Jahren saniert werden, Kosten hoch. Fonds ist schwach dotiert, Beschlüsse fehlen. Ergebnis: Hohe Wahrscheinlichkeit eines Sonderbeitrags; Käufer kalkulieren zusätzlich 10–20 k CHF. Das gehört in die Kaufpreisverhandlung.
Beispiel C: Komplexe Anlage im Alpenraum (Schwyz/St. Gallen)
Mehrere Häuser teilen sich Technik & Tiefgarage, einzelne Bauetappen unterschiedlich alt. Investitionsplan ist lückenhaft, Protokolle verweisen auf wiederkehrende Wassereintritte. Ergebnis: Technisches Gutachten veranlassen, Kaufentscheid verzögern, Preisabsicherung verhandeln – oder Abstand nehmen.
Ein gesunder Fonds braucht klare Führung. Prüfen Sie die Verwalterkompetenz, den Informationsfluss und die Beschlusskultur. Kommen Projekte rechtzeitig auf die Traktandenliste? Werden Offerten eingeholt? Gibt es Mehrjahresdenke statt Ad-hoc-Entscheide? In Zürich sind Verfahren oft professionell aufgesetzt, in kleineren Gemeinschaften (z. B. Schwyz) hängt vieles am Engagement einzelner. Das ist kein Makel – entscheidend ist, dass Transparenz herrscht und Entscheide umgesetzt werden.
Nicht jede Gemeinschaft löst grosse Projekte gleich. Neben Fondsbezug und Sonderbeiträgen gibt es Modelle wie gemeinschaftliche Darlehen oder Etappierungen. Für Käufer ist wichtig: Wie tragfähig ist das Modell über die nächsten 5–10 Jahre? Sind Zahlungsprofile (einmalig vs. verteilt) realistisch? Stimmen Beitragsschlüssel und Nutzungsrealität (z. B. Garagenanteil) überein? Wer früh versteht, wie die Gemeinschaft finanziert, verhindert spätere Überraschungen.
Wenn der Fonds unterdotiert ist oder grosse Projekte zeitnah anstehen, gehört das preisbildend auf den Tisch. Drei Hebel:
Umgekehrt gilt: Eine Liegenschaft mit sauberem Plan und solider Dotierung rechtfertigt den aufgerufenen Preis – und spart Nerven.
Der Erneuerungsfonds ist Ihr Barometer für die Zukunftskosten einer Eigentumswohnung. Wer Substanz, Plan und Dotierung ganzheitlich prüft, trifft bessere Entscheidungen, verhandelt fairer – und kauft ruhiger. In Zürich, Zug, Schwyz und St. Gallen unterscheiden sich die Märkte, doch eines bleibt gleich: Transparenz ist die beste Versicherung gegen teure Überraschungen.
Lesenswert