Einleitung
Nachlasssituationen sind selten rein rational. Erinnerungen treffen auf finanzielle Realität, unterschiedliche Lebensentwürfe auf gemeinsame Verantwortung. Häufig ist der Wunsch klar: Das Elternhaus soll in der Familie bleiben – eine Person übernimmt, die übrigen werden ausbezahlt. Damit das gelingt, braucht es drei Dinge: eine belastbare Bewertung, eine tragfähige Finanzierung und einen klaren rechtlichen Fahrplan. Dieser Beitrag führt Eigentümer in Zürich, Zug, Schwyz und St. Gallen Schritt für Schritt durch den Prozess – vom ersten Zahlenbild bis zur Eintragung im Grundbuch.
1) Ausgangslage klären: Ziele, Zeitplan, Spielregeln
Bevor Sie rechnen, schaffen Sie Orientierung in der Erbengemeinschaft. Wer möchte übernehmen? Wer möchte liquidieren? Wie eng ist der Zeitrahmen (z. B. wegen Hypotheken, Unterhalt, Leerstand)? Legen Sie Spielregeln fest: eine Ansprechperson, Protokollierung, Fristen für Offerten und Entscheidungsfenster. Dieser organisatorische Rahmen entschärft Emotionen – und spart Wochen.
2) Bewertungsbasis aufbauen: Preisband + Vor-Ort-Beurteilung
Ohne seriöse Basis wird jede Diskussion zur Grundsatzfrage. Starten Sie mit einer zweistufigen Bewertung:
- Online-Preisband: liefert in Minuten eine realistische Spanne, in der vergleichbare Objekte aktuell gehandelt werden – ideal, um Erwartungen zu kalibrieren.
- Experteneinschätzung vor Ort: prüft Mikro-Lage, Bausubstanz, Ausbaustandard, Energiezustand, Renovationsstau, rechtliche Rahmen (Dienstbarkeiten, Baurecht, Ausnutzung). Bei Eigentumswohnungen gehören Protokolle der Gemeinschaft und der Erneuerungsfonds zwingend dazu.
Ergebnis ist ein belastbares Wertfenster, das sowohl Marktdynamik als auch Objektfakten abbildet – die Grundlage für eine faire Auszahlung.
3) Fairen Auszahlungsbetrag herleiten – transparent und nachvollziehbar
Der Auszahlungsbetrag ist mehr als „Verkehrswert geteilt durch Erbquoten“. In der Praxis bewährt sich ein klarer Rechenweg:
- Startpunkt: Marktwert gemäss Preisband, eingegrenzt durch die Vor-Ort-Beurteilung.
- Objektbezogene Korrekturen: absehbarer Renovationsbedarf, energetische Aufrüstungen, fällige Ersatzinvestitionen (Heizung, Dach, Fassade, Fenster, Lift).
- Latente Faktoren: künftige Grundstückgewinnsteuer bei einem späteren Verkauf durch die übernehmende Person sollte in der Erbteilung als latenter Posten berücksichtigt werden – ebenso dokumentierte wertvermehrende Aufwände, die den steuerbaren Gewinn später reduzieren können.
- Liquidität der Gemeinschaft: Rücklagen, laufende Kosten bis zur Übernahme (Versicherungen, Hypothekenzinsen, Unterhalt) und allfällige Mietverhältnisse.
Wichtig ist weniger die letzte Nachkommastelle als die Nachvollziehbarkeit. Wenn alle die Logik verstehen, sinkt die Konfliktwahrscheinlichkeit – und Sie gewinnen Geschwindigkeit.
4) Finanzierung & Tragbarkeit: Bankgespräch strategisch vorbereiten
Die Übernahme scheitert selten an fehlendem Willen, sondern an Tragbarkeit. Bereiten Sie das Bankgespräch professionell vor:
- Unterlagenmappe: Preisband, Expertenbericht, Grundbuch- und Plandaten, Investitionsplan (5–10 Jahre), Protokolle/Erneuerungsfonds (bei ETW), grobe Cashflow-Rechnung (Miete vs. Eigennutzung).
- Hypothekenstrategie: Laufzeiten passend zur Lebensplanung – z. B. Mischmodell aus mittel- und langfristigen Tranchen oder Kombination mit einem flexibel anpassbaren Teil.
- Eigenmittel & Belehnung: realistische Belehnungsquote, Optionen wie Vorbezug/Einsatz freier Mittel, allfällige Zwischenfinanzierung bis zur formellen Erbteilung.
- Zeitpunkt & Meilensteine: terminiert den Übernahmestichtag, damit Zinsbindungen, Versicherung und Betriebskosten nahtlos übergehen.
Regionale Märkte wie Zürich, Zug und der Raum Schwyz sind preisstark – das hilft bei der Belehnung, erhöht aber auch die Anforderungen an die Tragbarkeit. Eine saubere Dossierqualität macht hier den Unterschied.
5) Rechtliche Umsetzung: Erbteilungsvertrag, Kaufvertrag & Grundbuch
Juristisch betrachtet gehen Sie in zwei Schritten vor:
- Erbteilungsvertrag: regelt, wer welches Aktivum übernimmt, welche Passiven bestehen und wie Ausgleichszahlungen fliessen. Definieren Sie Stichtag, Übergabe, Inventar, Versicherung, Nebenkosten, offene Rechnungen – und halten Sie fest, dass mit Vollzug sämtliche gegenseitigen Ansprüche abgegolten sind.
- Kauf-/Übertragungsvertrag innerhalb der Erbengemeinschaft: präzisiert Kaufpreis, Zahlungsfluss (inkl. allfälliger Sicherstellung der Grundstückgewinnsteuer), Übernahme von Pfandrechten/Hypotheken, Gewährleistung, Besitz-, Nutzen- und Gefahrübergang, Grundbucheintrag.
Bei Wohnrecht/Nutzniessung (z. B. zugunsten eines Elternteils) braucht es klare Regelungen zu Dauer, Kosten und Aufhebung/Abfindung. Bei Stockwerkeigentum achten Sie auf Sondernutzungsrechte und Reglemente. In der Praxis koordiniert das Notariat die Dokumente mit Bank und Grundbuchamt – je besser Ihre Vorarbeit, desto schneller der Vollzug.
6) Steuern & Gebühren im Blick behalten – damit der Netto stimmt
Für die Entscheidung zählt der Nettoeffekt. Denken Sie an:
- Grundstückgewinnsteuer: fällt erst beim späteren Verkauf durch die übernehmende Person an, sollte aber als latente Steuer im heutigen Auszahlungsmodell reflektiert werden.
- Abziehbare Aufwände: dokumentierte wertvermehrende Investitionen (z. B. Standard-Upgrade, energetische Sanierung) senken später den steuerbaren Gewinn – bewahren Sie Belege systematisch auf.
- Gebühren: Notariat und Grundbuch (Beurkundung, Eigentumsübertrag, Pfandrechte) gehören in die Kalkulation; die Verteilung regeln Sie im Vertrag.
- Erbschafts- und Verkehrssteuern: je nach Kanton und Verwandtschaftsgrad unterschiedlich; direkte Nachkommen sind in der Region oft begünstigt. Planen Sie dennoch genügend Liquidität für Nebenkosten des Vollzugs ein.
Ziel ist ein realistischer Netto-Vergleich: Übernahme heute mit latenter Steuer vs. sofortiger Verkauf und Erlösteilung.
7) Zeitplan & Taktik: So bleibt das Projekt auf Kurs
Gute Projekte scheitern selten an Technik – meist am Timing. Setzen Sie einen pragmatischen Plan auf:
- Woche 1–2: Online-Preisband, Unterlagen sichten, Erbengemeinschaft organisieren.
- Woche 3–5: Expertenbeurteilung, Investitionsplan, Bankgespräche & Vorentscheid.
- Woche 6–8: Erbteilungsvertrag ausverhandeln, Finanzierung finalisieren, Kauf-/Übertragungsvertrag, Notartermin fixieren.
- Woche 9–10: Beurkundung, Zahlungsfluss, Grundbucheintrag, Übergabe/Protokoll.
Falls die Finanzierung nicht tragbar ist, haben Sie Plan B: Marktverkauf mit professioneller Vermarktung – sauber vorbereitet, möglichst diskret, mit rascher Entscheidungsfähigkeit der Erbengemeinschaft.
Praxisbeispiel: Übernahme in der Agglomeration Zürich
Zwei Geschwister erben ein Doppeleinfamilienhaus in pendlerfreundlicher Lage. Das Preisband liegt bei 1.65–1.9 Mio. CHF; die Vor-Ort-Beurteilung bestätigt gute Substanz, empfiehlt aber mittelfristig Fenster- und Wärmeerneuerung. Die Schwester möchte übernehmen, der Bruder liquidieren. Man einigt sich auf einen fairen Wert in der oberen Bandhälfte und berücksichtigt die anstehenden Investitionen sowie die latente Steuer in der Herleitung des Auszahlungsbetrags. Die Bank bewilligt die Finanzierung mit einer Mischstrategie aus fünf- und zehnjähriger Tranche. Nach Beurkundung und Grundbucheintrag fliesst die Auszahlung fristgerecht; die Erbengemeinschaft ist aufgelöst, das Haus bleibt in der Familie.
Fazit – Familienlösung mit Substanz
Die Auszahlung der Erbengemeinschaft ist eine starke Option, wenn das Haus in der Familie bleiben soll. Entscheidend sind Transparenz und Professionalität: Preisband + Expertenblick, nachvollziehbare Ableitung des Auszahlungsbetrags, tragfähige Finanzierung und ein sauberer rechtlicher Vollzug. Mit dieser Struktur lassen sich Interessen ausgleichen – und Werte sichern.