September 29, 2025
Die eidgenössische Volksabstimmung vom 28. September 2025 markiert einen Wendepunkt in der Wohneigentumsbesteuerung: Der Eigenmietwert auf selbstbewohntem Wohneigentum wird abgeschafft. Das ist mehr als eine technische Korrektur – es verändert die Nettokosten des Wohnens, die Logik vieler Finanzierungsmodelle und die Einschätzung, wann sich Kaufen gegenüber Mieten lohnt. Gleichzeitig werden Abzugsmöglichkeiten neu geregelt. Für Eigentümerinnen und Eigentümer bedeutet das: neu rechnen, sauber planen – und Chancen wie Risiken rechtzeitig erkennen.
Mit dem Ja zum Systemwechsel entfällt die Besteuerung des Eigenmietwerts auf selbstbewohntem Eigentum. Im Gegenzug werden bisherige Abzüge enger gefasst: Der allgemeine Schuldzinsenabzug wird auf Konstellationen mit Erträgen (z. B. vermietete Objekte) begrenzt; Unterhalts- und Sanierungsabzüge fallen auf Bundesebene weitgehend weg, während Kantone gezielt Ausnahmen (z. B. Energie/Denkmalpflege) vorsehen können. Zusätzlich erhalten Kantone die Kompetenz, eine Liegenschaftssteuer auf selbstgenutzte Zweitliegenschaften einzuführen – ein wichtiges Element, um Steuerausfälle regional abzufedern.
Die Reform tritt nicht über Nacht in Kraft. Bis zur praktischen Umsetzung braucht es Gesetzesanpassungen, kantonale Detailregelungen und IT-/Prozessumstellungen bei den Steuerbehörden. Der frühestmögliche Starttermin liegt beim Steuerjahr 2028. Für Eigentümer heisst das: eine Übergangsphase von mehreren Jahren, in der man Finanzierungs- und Sanierungsentscheide bewusst timen kann – und sollte.
Für Haushalte mit stark amortisierten Hypotheken ist die Bilanz meist positiv: Der Eigenmietwert entfällt, während die eingeschränkten Zinsabzüge kaum ins Gewicht fallen. Eigentümer mit hohem Fremdkapitalanteil müssen genauer hinsehen, denn der bisherige Steuervorteil hoher Zinsabzüge schrumpft. Wer grössere Sanierungen plant, sollte klären, ob kantonale Ausnahmen für Energieeffizienz oder Denkmalschutz greifen – oder ob sich eine zeitliche Staffelung rechnet. Insgesamt nimmt der Anreiz ab, über lange Zeit sehr hohe Hypotheken zu halten; mittelfristig rückt die zielgerichtete Amortisation stärker in den Fokus.
Ohne Eigenmietwert und mit engeren Abzügen verschiebt sich die Nettokostenrechnung. Tragbarkeit wird wieder stärker „brutto“ beurteilt: Zinsersparnisse durch Steuern fallen geringer aus, schnelle Amortisation kann attraktiver werden. Für Erstkäufer ist eine befristete Entlastung vorgesehen (Ersterwerber-Logik), deren konkrete Ausgestaltung kantonal präzisiert wird. Wer bereits finanziert ist, sollte jetzt die Amortisationsstrategie überprüfen: Welche Laufzeiten, welche Tranchierung, welches Tempo passen zu den neuen Rahmenbedingungen – gerade bei Zinsbindungswechseln in den nächsten 12–24 Monaten?
In nachfragestarken Zentren wie Zürich und Zug bleibt die Lageknappheit der wichtigste Preistreiber. Der Systemwechsel verändert daher weniger die „grossen“ Preistrends, sondern vor allem die Netto-Haltekosten und damit die Kalkulation auf Käuferseite. In Aarau, Schwyz und St. Gallen könnten kantonal unterschiedliche Umsetzungen (z. B. Umgang mit Energieabzügen oder eine allfällige Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnsitze) zu spürbaren regionalen Unterschieden führen. Für Ferien- und Pendlerregionen mit höherem Zweitwohnungsanteil wird die kantonale Ausgestaltung besonders relevant sein. Insgesamt dürfte die Nachfrage selektiver werden: Gute Lagen, effiziente Objekte und solide Gebäudehüllen bleiben im Vorteil.
Fall A: Familie K. besitzt eine Eigentumswohnung in Zürich, die Hypothek ist stark amortisiert, es stehen keine grösseren Sanierungen an. Durch den Wegfall des Eigenmietwerts sinkt die laufende Steuerlast; die Einschränkung der Abzüge spielt kaum eine Rolle. Unterm Strich verbessert sich die Nettobelastung – die Familie ist flexibler in der Liquiditätsplanung.
Fall B: Paar M. in St. Gallen hält eine hohe Hypothek und plant eine energetische Sanierung. Der Wegfall von Zins- und Unterhaltsabzügen kann belasten, sofern die Sanierung nicht unter kantonale Energieausnahmen fällt. Hier lohnt es sich, Massnahmen zu priorisieren und zeitlich so zu planen, dass Förderprogramme, kantonale Abzüge und die Marktlage optimal zusammenspielen.
Wer in den nächsten 12–24 Monaten verkaufen will, sollte die Übergangslogik aktiv nutzen. Entscheidend ist weniger die politische Symbolik als die neue Nettokostenrechnung auf Käuferseite. Sinnvoll ist ein dreistufiges Vorgehen: Erstens eine realistische Preisspanne auf Basis der aktuellen Mikrolage ermitteln. Zweitens eine Vor-Ort-Einordnung durch eine Fachperson, um Zustand, energetische Qualität und Potenzial richtig zu bewerten – und gegebenenfalls kleine, rendite-starke Aufwertungen vor dem Listing umzusetzen. Drittens die steuerlichen Folgen für die eigene Situation prüfen (z. B. geplanter Amortisationspfad, bevorstehender Zinswechsel, Sanierungen), damit der Angebotspreis und das Timing die neue Realität widerspiegeln.
Gilt die Abschaffung sofort?
Nein. Die rechtliche Umsetzung braucht Zeit. Frühester Start ist 2028, mit kantonalen Detailregeln.
Was passiert mit Abzügen für Unterhalt und Zinsen?
Für selbstbewohntes Eigentum werden sie enger gefasst; kantonal sind ausgewählte Ausnahmen möglich (z. B. Energie/Denkmal).
Lohnt sich schnelle Amortisation jetzt mehr?
Häufig ja, weil der steuerliche Zinsabzug weniger ins Gewicht fällt. Die optimale Geschwindigkeit hängt aber von Zins, Liquidität und Planungshorizont ab.
Macht das Kaufen nun teurer oder günstiger?
Es kommt auf Hypothekarzins, Eigenmittel und Objektqualität an. Der Wegfall des Eigenmietwerts entlastet viele, die eingeschränkten Abzüge belasten vor allem stark Fremdfinanzierte.
Der Systemwechsel bringt Klarheit: kein Eigenmietwert mehr, dafür schlankere Abzüge und mehr Verantwortung bei Finanzierung und Unterhalt. Gewinner sind häufig Eigentümer mit tiefer Verschuldung und effizientem Gebäudezustand; stärker fremdfinanzierte Haushalte müssen genauer planen. Für den Markt bedeutet das eine feinere Selektion statt eine abrupte Wende. Wer jetzt richtig aufsetzt – mit realistischer Preisspanne, professioneller Vor-Ort-Einschätzung und einer Finanzplanung, die die neuen Regeln antizipiert – trifft bessere Entscheidungen, ob beim Verkauf oder beim Kauf.
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